Die Renaissance des Materials
Historische Materialien eignen sich für den Einsatz im Denkmalschutz. Und schaffen Atmosphäre.
In unserer modernen, schnelllebigen Zeit suchen wir unbewusst nach Gegenständen oder Orten, die Ruhe ausstrahlen und eine warme Atmosphäre schaffen. Bestimmte Materialien und Oberflächen ziehen uns in ihren Bann. Doch was macht diesen Reiz aus? Oftmals handelt es sich um Beschichtungsstoffe, die sich durch ihre natürlichen Bestandteile und eine seit Jahrhunderten kaum veränderte Zusammensetzung auszeichnen. Doch entscheidend für unser Empfinden ist die Art der Verarbeitung: Ein sichtbar ausgeführter Pinselstrich, die Haptik einer pudrig-matten Wandfläche fesseln unsere Sinne.
Um diese Wirkung zu erzielen, ist neben dem Beherrschen althergebrachter Handwerkskunst auch das geeignete Material vonnöten – für den Einsatz im Denkmalschutz und für exklusive Raumgestaltungen.
Standöl-Lack
Standöl-Lack ist ein seit Jahrhunderten eingesetzter Leinöllack, dessen Name auf die langen Lagerungs- und Abstandszeiten zurückgeht. Das aus kaltgepressten Leinsamen gewonnene Leinöl vernetzt unter Sauerstoffaufnahme zu einem widerstandsfähigen, wasserfesten Anstrichfilm. Die mineralischen Pigmente werden sicher eingebunden, wodurch der Lack eine gute Deckkraft und hohe Elastizität erhält, ohne abzublättern. Durch die gleichmäßige Abwitterung der Lackierung ergeben sich bei regelmäßiger Pflege leicht renovierbare Anstriche mit jahrelanger Haltbarkeit.
Lehm- und Kalkfarben
Wie auch Lehmfarben zeichnen sich Kalkfarben durch ihren positiven Einfluss auf das Raumklima aus. Durch ihre Grobporigkeit sind sie in der Lage, Feuchtigkeit aus der Luft aufzunehmen und zu speichern und bei Absinken der Raumfeuchte wieder abzugeben. Ihre hohe Alkalität sorgt für eine desinfizierende Wirkung. Das macht sie resistent gegen Schimmel und Bakterien. Da sie aus rein mineralischen Bestandteilen bestehen, sind Lehm- und Kalkfarben zudem frei von Kunststoffen und Weichmachern. Auch ihre antistatischen Eigenschaften, das heißt die Unfähigkeit, sich elektrostatisch aufzuladen und Schmutzpartikel oder Staub aus der Luft zu ziehen, zeichnen sie besonders für Allergiker aus.
In ihrer Optik sind Lehm- und Kalkfarben sehr unterschiedlich. Zwar erzeugen beide Anstriche einen matten und natürlichen Look. Doch im Gegensatz zur Lehmfarbe, die sehr homogen wirkt und eine gute Deckkraft besitzt, schafft Kalkfarbe eine changierende Oberfläche mit einer typischen Pigmentauswaschung.
Kaseinfarben
Eine weitere ökologische Wand- und Deckenfarbe ist Kaseinfarbe. Statt Lehm oder Kalk dient hier das Kasein, also der geflockte Proteinanteil aus Milch oder Quark, als Bindemittel. Für die Farbherstellung werden die Kaseinflocken herausgefiltert, getrocknet und zu einem Pulver zermahlen. Um tatsächlich als Binde- oder Klebemittel funktionieren zu können, wird der Bestandteil durch eine alkalisch reagierende Substanz wie Pottasche oder Soda ergänzt.
Kasein besitzt eine sehr hohe Bindekraft. Durch die Fähigkeit, eine große Anzahl an Farbpigmenten zu binden, kann die Farbe eine hohe Deckkraft erlangen. Kaseinfarben sind diffusionsoffen, auch mit Wasser wischfest und antistatisch und wirken sich positiv auf das Raumklima aus. Doch im Gegensatz zu Lehm- und Kalkfarben besitzen sie keine antiseptischen Eigenschaften und sind daher schimmelanfällig. Durch die Beimischung von Kalk lässt sich die Schimmelgefahr jedoch deutlich reduzieren. Für Feuchträume ist Kaseinfarbe nicht geeignet. Wer jedoch Wert auf nachhaltiges Bauen und eine hohe Umweltverträglichkeit legt, ist mit dieser Farbe bestens beraten. In Herstellung, Verarbeitung und Entsorgung ist Wandfarbe auf Kaseinbasis ausgesprochen unbedenklich und sogar kompostierbar.
Naturbelassene Materialien wie Kalk, Lehm oder Kasein bilden die Grundlage für originalgetreue Restaurationen. Standöl-Lack auf Leinölbasis wird seit Jahrhunderten als Holzschutz vor Feuchtigkeitseinflüssen einge-setzt. Durch seine Eigenschaft, nicht zum Abblättern oder Verspröden zu neigen, wird die harzfreie Farbe idealerweise dort eingesetzt, wo die Vorzüge klassischer Ölanstriche mit zeitgemäßer, effizienter Verarbeitung zu kombinieren sind. Dies umfasst maßhaltige Bauteile wie Fenster und Außentüren ebenso wie bedingt maßhaltiges Holz an Verschalungen, Klappläden oder Fachwerk. Auch als Rostschutz für Eisen und Stahl findet das traditionsreiche Leinöl seinen Einsatz.